Auch kleinste Funde geben Auskunft

Ausgrabungen am Kloster Lorsch © oh
Ausgrabungen am Kloster Lorsch © oh

Museumsverein: Aufschlussreicher Vortrag zur Erforschung der historischen Bausubstanz im Kloster Lorsch

Bensheim. Zur Bauforschung im Kloster Lorsch hielt Dr. Katarina Papajanni einen interessanten Vortrag beim Museumsverein Bensheim Zu Beginn trug die junge Wissenschaftllerin kurz die Baudaten der vorgefundenen Situation im Kloster Lorsch vor und unterlegte diese mit eindrucksvollen Fotos.

1991 wurde das Kloster von der UNESCO als Welterbestätte ausgezeichnet. Sogleich schritt man zu großen Bereinigungen des Geländes: Man entfernte das vertraute Kreuz, kennzeichnete die Klausur und andere wichtige, verlorene Gebäude durch große Rasenflächen mit erheblichen Niveaudifferenzen. Viel Sand war nötig, um die frühere, alte Düne zu rekonstruieren. Das Museum fand eine völlig neue Konzeption. Dann ging man zur „Bauforschung“ über. Während es im Mittelalter nur die Bauarchitektur gab, wurde von Robert Koldewey (1855 bis 1925, Architekt und Archäologe) die Bauforschung gegründet. Zu ihr gehören Untersuchung und Zeitbestimmung eines Bauwerks, Herkunft des Baumaterials, Aufmaß und Fugenmerkmale des Baus.

Im 30-jährigen Krieg zerstört

Ein Beispiel: Wollte man ein Zickzackmuster im Mauerwerk bilden, legte man zuerst das Zickzackmuster und dann die Steine dazwischen. Alle Funde waren farbig angestrichen, auch die kleinsten Bauteile erhielten farbige Anstriche. Der Gebäuderest der Kirche wurde mehrfach umgebaut. Sie ist jetzt ein einziges Konglomerat an Steinen. Irgendwann hat man die Kirche um 11,40 Meter verlängert. Im 30-jährigen Krieg wurde sie stark zerstört. Mit vorhandenen Steinen hat man dann eine Wand vorgesetzt, so dass sie wenigstens als Tabakscheune genutzt werden konnte.

Der Obergaden des Kirchenrestes besteht aus Bruchsteinmauerwerk. Die Farbe des Mörtels war unter Sand versteckt. Der Kirchenrest hat drei Arkaden. Die Pilaster haben Kapitelle. Die Kompositkapitelle sind die gleichen wie in der Torhalle, sie haben keine tragende Funktion. Traufgesims, Gurtgesims und die Längsverbindungen der gesamten Breite haben Verklammerungen aus Eisen – wie bei den Römern. Es wurden bei der Untersuchung, vor allem in der Nordwand, Holzstückchen sowie eine Walnussschale gefunden, sogar antikes Moos kam zutage. Dies alles wurde zur genauen Datierung in ein Schweizer Labor und zur Gegenprüfung in ein Deutsches Labor gegeben

Karolingisches Baugut zerstört

In der Barockzeit, als Lorsch zum Bistum Mainz gehörte, ließ Erzbischof von Schönborn die Gesamtanlage barock umbauen. Dabei wurde viel karolingisches Baugut zerstört. Allerdings wurde beim Umbau der römische und karolingische Steinmörtel recycelt und wieder verwendet. Nach dem großen Brand von 1621 blieben die karolingische Torhalle mit ihrer reichen Fassadengliederung, der Kirchenrest und der überwiegende Teil der Klostermauer erhalten. Dr. Papajanni wies daraufhin, dass es ein Jahr dauern werde, bis sie mit Dr. Lammers zu diesen Arbeiten ein Grabungsbuch veröffentlichen könne. Die Zuhörer verfolgten den Vortrag mit großem Interesse und waren von den unglaublichen Einzelfunden gebannt. red

© Bergsträßer Anzeiger, Samstag, 02.04.2016