Vortrag des MVB über St. Georg im Kolpinghaus
Es herrscht aufmerksames Schweigen im Breuer-Sälchen des Kolpinghauses am Abend des 15. Novembers. Eine Lautsprecherprüfung hatte zu quietschenden Rückkoppelungen geführt, sodass der Referent Rudolf Schmitt das Mikrofon aus der Hand legte. So weit trägt die Stimme auch ohne Verstärker. Zuvor hatte der Vorsitzende des Museumsvereins Klaus Jöckel die Zuschauer begrüßt. Durch Terminkollisionen mit anderen Veranstaltungen und eine Panne in der Kommunikation des Veranstaltungsorts ist der Kreis der Anwesenden überschaubar – aber alle sind gespannt.
Nun geht es los, Schmitt berichtet über den heiligen Georg, Jöckel klickt die zahlreichen Abbildungen aus Schmitts gewaltigem Fundus auf die Leinwand. Es geht los mit der geographischen und zeitlichen Einordnung: Kappadokien und das Heilige Land im 3. und 4. Jahrhundert. Die Märtyrergeschichte vom Offizier, der sich vor die Christen stellt, als diese unter dem römischen Kaiser Diokletian verfolgt werden und zum Tode verurteilt wird, aber mehrere Martern überlebt, bis er schließlich enthauptet wird. Und ungefähr 900 Jahre später erlebt er eine erstaunliche Wiederkehr im Abendland, als die Kreuzfahrer ihn als Drachentöter und Retter der Königstochter mit in ihre Heimat bringen. Schmitt erzählt Sicheres und Fragliches aus der Geschichte seiner Verehrung als Heiligem und Nothelfer, der in vielen Situationen angerufen werden kann.
Um das dreizehnte Jahrhundert kam Georg nach Bensheim, indem er als Kirchenpatron den heiligen Michael ablöste, möglicherweise eine Bedingung der damals neuen Herrschaft zur Renovierung oder dem Neubau der Bensheimer Stadtkirche. Schmitt erzählt, wie Georg dann immer wieder auftaucht, so auf dem bekannten Merianstich aus dem 17. Jahrhundert und dann später immer öfter, sodass 1929 die Stadt Bensheim, die den Ritter schon lange in der einen oder anderen Form nutzte, ihr erstes offizielles Stadtwappen mit dem Drachentöter zierte. Und dann gab es in Bensheim kein Halten mehr: Überall der Schorsch, nicht nur in der Kirche und am Rathaus, sondern auch an der Weinflasche, auf dem Bierkrug, bei der Feuerwehr, auf Ziertellern und schon länger auf dem Brunnen am Marktplatz.
Schmitt gerät in Fahrt, hat ein buntes Sammelsurium von Patronaten Georgs zu bieten: England, Litauen, Russland, Georgien. Jöckel klickt Bild auf Bild: Kunst und Kitsch, aus der Kirche, aus dem Kinderbuch, aus dem 6. und dem 21. Jahrhundert. Albrecht Dürer, Wassily Kandinsky, überall St. Georg: der mit dem weißen Ross – der mit dem dunklen ist Demetrios. Mal hat der Drache Flügel, mal nicht. Einmal hat der Ritter Flügel: Da hat sich ein Michael zwischen die Georgs geschlichen, aber treffsicher wird das erkannt und eingeworfen. Mal erschlägt er den Drachen mit dem Schwert, dann spießt er ihn mit der Lanze auf. Hinten die Königstochter: mal steht sie, mal läuft sie, mal in Fesseln, mal frei. Plötzlich das letzte Bild – mehr geht nicht – Ruhe.
Schmitt lächelt bescheiden, da setzt der Applaus ein. Noch Fragen? Nein, keine … die bunten Bilder stehen noch vor den Augen, der Farbrausch wirkt noch nach. Dann stehen die Leute auf, plaudern noch ein bisschen. Ein paar helfen, den Raum aufzuräumen. Dann ist die Veranstaltung zu Ende.