Geschichte des Griesels auf 150 Seiten

Wer heute durch die Grieselstraße und das Viertel oberhalb davon kommt, sieht von der Geschäftigkeit, die in diesem kaum 200 Jahre alten Stadtteil einst herrschte, nur noch wenige Spuren. Auch in der Regionalliteratur führte der Griesel und seine Vergangenheit bislang ein Schattendasein.

In einem gut 150 Seiten starken Buch gehen Dieter Rogalli und Rudolf Schmitt nun der Geschichte des Griesels nach. Mit einem alten Flurplan und der detaillierten Darstellung einzelner Bauphasen wird die schrittweise Entstehung des Viertels anschaulich gemacht – beginnend mit der Bebauung der Grieselstraße seit 1825 und den darauf folgenden Schritten, mit denen die Gebäude bis Anfang des 20. Jahrhunderts den gesamten Hang eroberten.

Ausführliche Abschnitte sind der Wasserversorgung, der Planung und der Befestigung der Straßen gewidmet – und dem Anschluss an die Kanalisation, der sich bis weit in die 1950er-Jahre hinzog. Das Buch berichtet von einer „Kleinkinderbewahranstalt“, die schließlich in der Lammertsgasse eingerichtet wurde, und von der vom Gewerbeverein 1886 errichteten Gewerbeschule – der späteren Weinstube Clara – in der Oberen Grieselstraße. Beleuchtet wird nicht nur die Geschichte dieser Weinstube, sondern auch die des Anwesens des späteren Staatsweingutes und des Bierkellers, der 1845 von der Brauerei Wacker für die Kühlung des im Winter und Frühjahr gebrauten Biers gebaut wurde und später unter anderem zum Bensheimer „Beat-Mekka“ avancierte.

Nicht ausgespart sind die Veränderungen durch die Altstadtsanierung, die zum Beispiel durch die Verbreiterung der Grieselstraße 1985 zum Verschwinden vieler alter Häuser führte. Das Buch beschäftigt sich aber nicht nur mit den baulichen Gegebenheiten, sondern auch mit den Bewohnern – von der „Deckerts Ina“ bis zu den „Grieseler Roten Funken“. Es erzählt von der Homogenität, die das Viertel bis in die Nachkriegszeit prägte: Es waren vor allem Bauern und Handwerker sowie Mitarbeiter der Papierfabrik Euler, die hier wohnten. Um die Familie zu ernähren hielten viele sich ein Schwein, eine Ziege oder Hühner und bearbeiteten kleine Obst- und Gemüsegärten.

Viele Bilder aus dem Stadtarchiv und aus Privatbesitz erinnern an früher – mit zum Teil hohem Wiedererkennungswert, zum Teil aber auch verblüffend anderen Ansichten. Es gibt Kurioses wie das Bild von einem von einem Hund gezogenen Fuhrwerk oder von Puhlkarren im Wingertsweg, und viele alte Stadtansichten sowie Karten, Pläne, Grundrisse und Archivalien.

Zwei Jahre haben die Autoren an ihrem Buch über den Bensheimer Griesel gearbeitet. Dieter Rogalli,  stellvertretender Vorsitzender des Museumsvereins Bensheim, ist gebürtiger Bensheimer, verließ die Stadt aber gleich nach dem Abitur und wohnt erst seit vier Jahren wieder hier. Der pensionierte Lehrer hat eine durchaus emotionale Beziehung  zum Griesel, wie er erklärt, besuchte er als Schüler doch häufig Veranstaltungen im heute verschwundenen „Sälchen“ hinter dem Bierkeller. Rudolf Schmitt, Ur-Bensheimer und ebenfalls im Vorstand des Museumsvereins, ist bei an Heimatgeschichte Interessierten unter anderem für seine schier unermessliche Fotosammlung bekannt.

Am Mittwoch, 21. August, um 19 Uhr stellen die beiden Autoren das vom Museumsverein Bensheim herausgegebene Buch „Der Griesel in Bensheim“ der Öffentlichkeit vor. Im Pfarrzentrum St. Georg gibt es dann in Anwesenheit des Verlegers Ralf Fetzer nicht nur Gelegenheit, das Buch zu erwerben, sondern auch einen Bildervortrag von Rudolf Schmitt. Dieter Rogalli wird ein Kapitel aus dem neuen Buch lesen. Zu hören sein wird auch einiges, was im Buch (noch) nicht thematisiert werden konnte oder für die Recherche nicht recht zugänglich war.